14.01.2021 von Jennifer Zimmermann
Ein Drittel aller Lebensmittel geht in der Schweiz auf dem Weg vom Feld zum Teller verloren – mit fatalen Auswirkungen für Umwelt und Klima. Food Waste ist ein gesellschaftliches Problem, das wir nur lösen können, wenn alle Akteure an einem Strang ziehen. Aktive Städte und Gemeinden leisten einen wichtigen Beitrag.
Leiterin Gemeindeangebote und Erwachsenenbildung
www.pusch.chjennifer.zimmermann@pusch.ch
Die Schweiz hat das grosse Privileg, qualitativ hochwertige Lebensmittel in Hülle und Fülle zur Verfügung zu haben. Die Kehrseite: Viel zu oft werden Lebensmittel nicht gegessen, weil sie vermeintlich nicht perfekt sind. Sei es, weil sie aufgrund ihrer Unförmigkeit oder natürlicher Schönheitsfehler gar nicht erst verkauft werden (können) – oder aber, weil ein Lebensmittel im Haushalt älter wird, den Reiz verliert und daher im Kehricht landet. Jährlich fallen so in der Schweiz 2,8 Millionen Tonnen Food Waste an. Das entspricht 4,5-mal dem Gewicht der Schweizer Bevölkerung.
Diese Verschwendung belastet nicht nur das Portemonnaie, sondern auch die Umwelt. Denn mit den Lebensmitteln verschwenden wir auch sämtliche kostbaren Ressourcen, die für Produktion und Distribution verwendet wurden: Land, Wasser und Energie gehören genauso dazu wie Düngemittel, Pestizide und Verpackungsmaterial.
Food Waste ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern belastet auch Klima und Gewässer unnötig, Tiere müssen vergeblich ihr Leben lassen und der nutzlose Verbrauch von Landwirtschaftsland führt zu unnötigem Druck auf natürliche Ökosysteme, die für den Erhalt der Artenvielfalt wichtig sind. Insgesamt schadet die Lebensmittelverschwendung in der Schweiz der Umwelt gleich stark wie 50 Prozent des motorisierten Individualverkehrs. Durch eine Halbierung des Food Waste liesse sich die ernährungsbedingte Umweltbelastung um 10 bis 15 Prozent senken. Das wäre ein wesentlicher Beitrag zu einem zukunftsfähigen, ressourceneffizienten und klimafreundlichen Lebensstil.
Gemäss Berechnungen des Bundesamts für Umwelt (Bafu) entsteht ein grosser Teil der vermeidbaren Abfälle in Haushalten. Pro Person und Jahr gehen hier rund 90 Kilo Lebensmittel verloren. Mit 38 Prozent belasten diese Lebensmittelabfälle die Umwelt deutlich am stärksten. An zweiter Stelle steht die Verarbeitungsindustrie (27 Prozent), gefolgt von der Gastronomie (14 Prozent) und dem Gross- und Detailhandel (8 Prozent). Die landwirtschaftliche Produktion von Nahrungsmitteln, die ganz am Anfang der Kette steht, macht 13 Prozent der Umweltbelastung aus, wobei diese grösstenteils im Ausland anfällt.
Wichtig ist, dass Lebensmittel auch als solche verwendet werden. Denn eine kürzlich im Auftrag des Bafu publizierte ETH-Studie kommt zum Schluss, dass eine optimierte Verwertung von Lebensmittelverlusten in der Biogasanlage oder als Tierfutter nur einen Bruchteil der Umweltwirkung der Vermeidung von Lebensmittelverlusten entfalten kann. Betrachtet man aber die Verwertungszahlen genauer, fällt auf, dass heute nur 0,62 Prozent der Lebensmittelabfälle gespendet und so weiter als Lebensmittel verwendet werden, während knapp die Hälfte zu Dünger und Bodenverbesserer oder Biogas verwertet werden. 31 Prozent werden als Tierfutter eingesetzt und weitere 21 Prozent landen in der Kehrichtverbrennung.
Um das zu ändern braucht es viel Engagement aller Akteure entlang der Lebensmittelkette - inklusive der Konsumentinnen und Konsumenten. Im Vordergrund stehen die optimierte Planung, ein gutes Vorratsmanagement, die konsequente Verwertung von Resten und die vermehrte Verwendung zweitklassiger, trotz Schönheitsfehlern einwandfreier Produkte.
Die Halbierung der Lebensmittelverluste bis 2030 ist erklärtes Ziel der Agenda 2030 der Vereinten Nationen, welche auch die Schweiz unterzeichnet hat. Um das Ziel zu erreichen, entwickelt der Bundesrat derzeit unter Mitwirkung verschiedenster Stakeholder einen Aktionsplan gegen Food Waste (siehe Artikel Seite 6). Dieser soll über die Förderung von Initiativen der Wirtschaft, das Nutzen von Potenzialen aus Forschung, Digitalisierung und Innovation aber auch durch optimierte Rahmenbedingungen, Sensibilisierung und Bildung dazu beitragen, dass wir das Ziel der Agenda 2030 erreichen. Voraussichtlich 2024 will der Bund evaluieren, ob die Massnahmen des Aktionsplans ausreichen oder ob Anpassungen notwendig sind.
Die Sensibilisierung der Bevölkerung hat sich auch die breit abgestützte Initiative «Save food, fight waste.» unter der Leitung der Stiftung Pusch zum Ziel gesetzt. Zu den heute über 80 Partnern zählen 3 Bundesämter, 23 Kantone, 11 Gemeinden und Abfallzweckverbände, verschiedene Interessengemeinschaften von Konsumenten, Bauern und Detailhandel sowie zahlreiche grosse und mittlere Unternehmen und Food-Save-Initiativen. Sie alle engagieren sich mit verschiedenen Massnahmen für die Vermeidung von Food Waste, sensibilisieren die Öffentlichkeit für die Problematik und vermitteln Know-how, um Food Waste im eigenen Handlungsspielraum zu vermeiden.
Auch Kantone, Städte und Gemeinden sind eine wichtige Grösse, um die Umsetzung der Reduktionsziele voranzutreiben. Mit der Verordnung über die Vermeidung und die Entsorgung von Abfällen (VVEA) von 2016 haben sie den gesetzlichen Auftrag erhalten, sich für die Abfallvermeidung zu engagieren. Dabei gibt es für Gemeinden viele Möglichkeiten, sich für weniger Lebensmittelverschwendung stark zu machen. Sie können:
Im November 2020 wurde auf der Pusch-Website eine Food-Waste-Toolbox mit weiteren Massnahmen und Checklisten für Gemeinden aufgeschaltet. Die Inputs daraus und viel Inspiration aus den Beiträgen des vorliegenden Dossiers, unterstützen Gemeinden dabei, sich engagiert für die Reduktion der Lebensmittelverschwendung einzusetzen.
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