06.05.2020 von Food Ninja
Doris Erne hat 2018 das Start-up WHEYCATION gegründet. Nach ihrer Ausbildung zur Primarlehrerin und dem anschliessenden Studium zur Lebensmittelingenieurin ETH war sie rund zehn Jahre in der Lebensmittelindustrie tätig. In einem Nachdiplomstudium an der ETH ist ihr unternehmerischer Funken gezündet worden. Aktuell arbeitet sie neben dem Aufbau ihres jungen Unternehmens noch 50 % bei der Geska AG, die den berühmten Glarner Schabziger produziert.
Food Ninja: Hallo! Kannst du dich unseren Leserinnen und Leser in 3-4 Sätzen kurz vorstellen?
Doris: Mein Name ist Doris Erne. Ich bin Lebensmittelingenieurin und habe vor zwei Jahren das Start-up WHEYCATION gegründet. Gemeinsam mit meinen Co-Foundern Pascal und Christian habe ich zum Ziel, den Food Loss in der Schweizer Lebensmittelproduktion zu bekämpfen. Unser Motto ist «Shake up – Save food!» und unser Fokus ist Molke, ein leider riesiges Verlustthema in der Käseproduktion.
Wann hast du dich das erste Mal mit dem Thema Food Waste auseinandergesetzt? Kannst du dich daran noch erinnern?
So richtig bewusst wurde mit das Thema, als ich in der Produkteentwicklung eines grossen Lebensmittelkonzerns arbeitete. Manchmal, nach Grossversuchen, füllten wir ganze Container für Tierfutter mit eigentlich perfekten Produkten. Was mich besonders schockierte war, dass ich mit der Zeit nicht einmal mehr Mühe hatte, die Lebensmittel wegzuschmeissen. Dieser Schock hat dazu geführt, dass ich begann, mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Wenn man du mit 10 Hashtags das Problem Food Waste umschreiben müsstest, welche würdest du verwenden?
#Dekadenz#FehlendesBewusstsein #FehlendesWissen #Klimakatastrophe#WirAlle #EinDrittelIstZuViel #Bequemlichkeit#Konsumwahn #FairePreise #Molke
Was tust du als Konsument und in deinem Berufsumfeld gegen Food Waste?
Als Konsument: Ich plane meine Einkäufe und mache eine Einkaufsliste, nachdem ich einen Blick in den Kühlschrank und in den Vorratsschrank geworfen habe. Da wir ein kleiner Haushalt sind, kaufe ich keine Grosspackungen ein. Ich lagere die Lebensmittel, so, dass sie möglichst lange gut bleiben. Vor allem auch nach dem Prinzip «First in – First out», das heisst, ich räume die neuen Lebensmittel immer hinten ein. Und ich esse auch Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum, solange sie noch gut sind.
Und in meinem Berufsumfeld: Mit unserem Start-up WHEYCATION entwickeln wir innovative, hochwertige Produkte aus Nebenströmen der Lebensmittelproduktion. Unser Ziel ist vor allem, dass Schweizer Molke aus der Käseproduktion nicht mehr im Tierfutter oder in der Biogasanlage landet, sondern in Form von genussvollen und gesunden Produkten in unseren Mägen.
Was mich besonders schockierte war, dass ich mit der Zeit nicht mal mehr Mühe hatte, die Lebensmittel wegzuschmeissen. Dieser Schock hat dazu geführt, dass ich mich intensiver mit dem Thema auseinandersetzte.
Es gibt viele Food Waste Fallen. Welche sind für dich besonders schwierig zu umgehen?
Eigentlich nicht besonders schwierig, aber trotzdem passiert es mir immer wieder: Ich vergesse Brot, das wir nicht ganz aufgegessen haben, bis es so knochentrocken ist, dass ich nicht einmal mehr Croutons daraus machen kann. Wenn jemand eine Idee hat, was man aus solchem Brot noch machen kann: bitte melden!
Welchen Food Waste Hack findest du besonders effektiv?
Richtige Lagerung von Frischprodukten: Wissen aneignen, was in den Kühlschrank soll und in welche Zone und was besser bei Raumtemperatur gelagert wird. Und welche Lebensmittel nicht nebeneinander gelagert werden sollen.
Wir leben gerade in schwierigen Zeiten: Covid-19 hat den Alltag aller stark verändert. Wie geht WHEYCATION damit um?
Wir konzentrieren uns nicht darauf, was NICHT läuft. So könnten wir uns darüber aufregen, dass ausgerechnet zum Zeitpunkt des Marktstarts unseres Produkts der Lockdown begann und wir viele Kundinnen und Kunden gar nicht erst bedienen konnten. Stattdessen nutzten wir die Zeit, um zukünftige Projekte voranzutreiben. Optimismus und der Fokus auf die Chancen sind für uns sehr wichtig.
Viele Unternehmen haben neuerdings die Option eröffnet, ihre Produkte Online zur Verfügung zu stellen. Seid ihr einen ähnlichen Schritt gegangen?
Nicht die Produkte, aber ich habe letzte Woche gerade das erste Mal online eine Infoveranstaltung zum Thema «Upcycling – Verwerten statt verschwenden» durchführen dürfen.
Wie kann man euch als Konsument am besten unterstützen?
Indem ihr unsere Molke-Shakes kauft. Und vor allem auch allgemein offen seid für das Thema Molke. Wir stossen in der Schweiz auf echt grosse Skepsis, weil Molke traditionell als Schweinefutter gilt und als Abfallprodukt abgestempelt wird, das nicht schmeckt. Allgemein fände ich es toll, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten wieder bereit wären, faire Preise für Lebensmittel zu bezahlen, vor allem für nachhaltige und lokale Produkte. Das wäre meiner Meinung nach für die meisten Menschen in der Schweiz finanziell möglich, wenn dafür nur eingekauft würde, was auch wirklich gegessen wird.
Zum Schluss: Was ist dein Lieblingslebensmittel?
Mit Abstand die schwierigste Frage für mich als absoluten Foodie! Das ist, als würde man eine Mutter nach ihrem Lieblingskind fragen … Aber ich entscheide mich für Molke.
Und was tust du, wenn es mal nicht mehr ganz frisch ist?
Mit dem Verfahren, das wir bei der Produktion des Molke-Shakes anwenden, bleibt die Molke natürlicherweise länger frisch – ganz ähnlich wie ein Joghurt. Und weil die Molke danach so gut schmeckt, werden die Shakes sowieso schnell getrunken!
Vielen Dank, dass du dir Zeit für uns genommen hast!
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