14.12.2020 von Yvonne Lötscher
Städten und Gemeinden kommt bei der Vermeidung von Food Waste eine tragende Rolle zu, insbesondere in Schulen und Kitas. Schulstoff und Verpflegung bieten zahlreiche Möglichkeiten, für das Thema Lebensmittelverschwendung zu sensibilisieren und diese aktiv zu reduzieren.
Nachhaltige Ernährung, Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich
www.stadt-zuerich.ch/ugzyvonne.loetscher@zuerich.ch
Die Stadt Zürich hat mit einer Strategie für nachhaltige Ernährung die Grundlage geschaffen, um gemeinsam mit der Bevölkerung, Wirtschaft und Wissenschaft unter anderem gegen Lebensmittelverluste anzukämpfen (siehe Kasten). Food Save ist einer von drei Schwerpunkten der Strategie und soll entlang der Wertschöpfungskette konsequent umgesetzt werden.Um dieses Ziel zu erreichen, sind die Stadt Zürich und externe Partner gleichermassen gefordert. So kann die Stadt beispielsweise beim Prüfen eines Veranstaltungskonzeptes auf die Möglichkeiten der Weiterverwendung von nicht verwendeten Lebensmitteln oder deren ökologische Entsorgung in Gärwerken hinweisen. Die Umsetzung liegt schliesslich aber im Verantwortungsbereich des Veranstalters. Im Rahmen des Bildungsauftrags der Schulen sowie des Verpflegungsauftrags der schulischen Betreuung will die Stadt jedoch auch selbst aktiv werden.
Der Bildungsauftrag bietet verschiedene Möglichkeiten, das Thema Food Waste im Lehrraum Schule zu vermitteln und Kinder und Jugendliche bereits früh dafür zu sensibilisieren. Im Rahmen der «Bildung für nachhaltige Entwicklung» des Lehrplans 21 kann die Relevanz der Lebensmittelverschwendung für Mensch und Umwelt stufengerecht in allen drei Zyklen eingebettet werden. Food Waste kann beispielsweise als Schwerpunktthema im Kontext des ressourcenschonenden Haushaltens dienen oder als praktischer Inhalt ins Fach «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt» eingebaut werden.
Neben der Sensibilisierungsarbeit im Rahmen des Bildungsauftrags hat die Stadt in der Schulverpflegung, die einen Grossteil der städtischen Verpflegung ausmacht, einen wirksamen Hebel, um Lebensmittelverluste zu vermeiden. Die Stadt Zürich setzt dazu an verschiedenen Punkten entlang des Verpflegungsprozesses an: bei der Ausschreibung und der Wahl des Caterers, der Menüplanung, bei der Bestellung, an den Ausgabestationen sowie bei der Resteverwertung.
Derzeit liegt der durchschnittliche Lebensmittelverlust bei rund 85 Gramm pro Teller. Im Rahmen der Strategie nachhaltige Ernährung wurde ein Verlust von unter 50 Gramm pro Teller bis 2030 als verbindliches Ziel definiert. Um auf dieses Ziel hinzuarbeiten und das tatsächliche Potenzial der Betriebe zu erfassen, müssen jedoch erst die heutigen Mengen der Lebensmittelverluste erhoben werden. Im laufenden Jahr fanden dazu erste Pilotmessungen statt. 2021 wird die Stadt Zürich flächendeckend in allen städtischen Verpflegungsbetrieben Messungen vornehmen – auch in den schulischen Betreuungseinrichtungen.
Während der Messungen erfassen die Betriebe über drei Wochen mit einer standardisierten Liste sämtliche Abfälle in den Kategorien: Tellerrücklauf, Flüssigkeiten, Überproduktion, verpackte Lebensmittel und anderes. Die gemessenen Mengen sollen aufzeigen, wo das Potenzial am grössten ist, um Verluste zu reduzieren und Lebensmittel zu retten. Um sicherzustellen, dass das Bewusstsein für Verwendung statt Verschwendung in den Betriebsalltag integriert wird, finden jährlich neue Messungen statt. Sie erlauben es schliesslich, eine Verbesserung über die Zeit aufzuzeigen.
Die Messungen werden von den Verantwortlichen in den Betrieben durchgeführt. Dadurch findet die Sensibilisierung für Food Waste auf allen Stufen statt und fördert das Verantwortungsgefühl der involvierten Personen. So kann das Thema zum Teil der Betriebskultur werden. Ausserdem lassen sich durch das Messen bereits Erfolge aufzeigen, nicht nur in der Biotonne, sondern auch im Budget. Das Potenzial wird greifbar und die Verantwortlichen in den Betrieben können konkrete Massnahmen einleiten, aufgrund der Messergebnisse sowie basierend auf ihren Kenntnissen und Erfahrungen. Um erfolgreiche Veränderungen herbeizuführen, sind auch die Unterschiede zwischen den Verpflegungsmodellen, wie etwa die Produktion oder Regeneration (Aufwärmen), Open Restaurant, Selbstbedienung oder bediente Flächen, sowie die Eigenheiten der Gästestrukturen, ob Kindergarten, Mittel- und Unterstufe oder Oberstufe, zu berücksichtigen.
Viel Verbesserungspotenzial gibt es bei den Lebensmittelresten, die auf Überproduktion – etwa bei der Essensausgabe – zurückzuführen sind: Anstatt die Ausgabestationen unmittelbar mit der gesamten gelieferten Menge zu bestücken, können vorerst nur 70 Prozent zubereitet und angeboten werden. Zeichnet sich ab, dass weitere 20 bis 30 Prozent benötigt werden, wird mehr zur Verfügung gestellt. So lässt sich sicherstellen, dass nur so viele Portionen zubereitet werden, wie effektiv nötig sind, und übrige Mengen die Küche nicht verlassen. Die übriggebliebenen vorgekochten Speisen können unter Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorgaben in den nächsten zwei Tagen zur Verwendung gelangen.Auch mit einer optimalen Auswahl an Gebindegrössen lässt sich Food Waste vermeiden. Die Betriebe verpflegen zwischen 24 und 450 Kinder. Stehen nur 10er-Gebinde zur Auswahl, muss etwa ein Betrieb mit 24 Kindern zu viel bestellen. Es ist deshalb sinnvoll, die bestellbare Gebindegrösse mit dem Anbieter zu definieren.
Für die Verwertung des Übereinkaufs und der vorgekochten Speisen ist das Know-how der Verantwortlichen vor Ort genauso wichtig wie die Flexibilität und Akzeptanz, ihre Menüs zu Gunsten von weniger Lebensmittelverlusten anzupassen. Die Stadtzürcher Schule Leutschenbach zum Beispiel vermerkt deshalb in ihrem öffentlichen Menüplan: «Um Food Waste zu verhindern, können einzelne Menükomponenten kurzzeitig variieren. Wir kochen gemäss den Ernährungsrichtlinien der Stadt Zürich.»
Um den Verantwortlichen in den Betreuungseinrichtungen das nötige Wissen zugänglich zu machen und sie regelmässig zu schulen, hat die Stadt Zürich eine Fachperson Gastronomieberatung eingesetzt. Sie unterstützt die Verpflegungsstandorte der städtischen Schulen bei gastronomischen Fragen. Zur Verstärkung wird zudem pro Standort eine Person aus dem Betreuungsteam fortlaufend geschult, sodass diese ihr Wissen an das Team weitergeben kann. Wichtig ist dabei: Das Retten der Lebensmittel basiert stets auf Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelhygiene.
Wird die Verpflegung an einen externen Anbieter vergeben, so kann eine Gemeinde Einfluss auf dessen Umgang mit potenziellen Lebensmittelresten nehmen. Entsprechende Auflagen bei der Ausschreibung der Ernährungsdienstleistung stellen die Umsetzung beim Betreiber sicher. In der Praxis bietet sich an, als Muss-Kriterium ein Konzept zur Reduktion von Lebensmittelabfällen in die Ausschreibung zu integrieren. Somit kommen für den Zuschlag nur Bewerber infrage, welche diese Auflage erfüllen, indem sie beispielsweise ein Monitoring eingerichtet haben oder im Falle von Überproduktion eine Weitergabe an gemeinnützige Organisationen sicherstellen.
Sensibilisierungsarbeit zum Thema Food Waste ist nicht nur auf den obligatorischen Schulstufen wichtig. Gerade angehende Vertreterinnen und Vertreter der Gastrobranche werden viel dazu beitragen, wie zukünftig mit dem Thema umgegangen wird. Ein Beispiel, wie hier wirkungsvolle Sensibilisierung aussehen kann, liess sich am Food Save Day 2019 im Rahmen des 10-tägigen Festivals «Food Zurich» beobachten: Dort zeigte die Allgemeine Berufsschule Zürich, wie man einen öffentlichen Anlass als Plattform nutzen kann, um Schülerinnen und Schüler aktiv einzubeziehen und das Thema der nachhaltigen Ernährung praktisch zu vermitteln. Einen Tag lang waren die Koch-, Restauration- und Hotellerie-Lernenden verantwortlich für die Bewirtung von 400 Personen – mit einem Food-Save-Menü inklusive Take-Away-Angebot.
Zur Vorbereitung zeigten die Lehrpersonen ihren Klassen die Relevanz von Food Waste im Unterricht auf. Dies schaffte die Grundlagen für das Verständnis der Zusammenhänge. Das Bewusstsein für die weitreichenden Folgen von Lebensmittelverlusten gab ihnen zusätzliche Motivation, was angesichts der zahlreichen Herausforderungen bei ihrer Aufgabe am Food Save Day wichtig war. Denn die Lernenden waren mit Fragen konfrontiert, die bei Menüvorbereitungen normalerweise kaum auftauchen: Wie plant man ein Menü, wenn sich erst im letzten Moment entscheidet, was den Weg in die Küche findet? Woher erhält man zuverlässig Überschüsse, die sonst weggeworfen würden? Unter diesen Umständen ist das Vorgehen bei der Menüplanung unkonventionell, es beginnt bei der Zubereitungsart und nicht bei der Zutat. Dabei sind Improvisationstalent und Kreativität gefragt.
Das Engagement der Lernenden zahlte sich aus. Die 35 Lernenden servierten ein Drei-Gänge-Menü aus krummen Rüebli und Co. in der Beiz und zwei vegane Take-Away-Kreationen in der «Chuchi» des Festivalzentrums am Hauptbahnhof Zürich. Das Thema Food Save zog sich durch den ganzen Tag und die Umsetzung der Koch-Challenge kam bei den Besucherinnen und Besuchern gut an. Die persönliche Erfahrung prägte die Lernenden, die das Thema nun hinaus in die Gourmetküchen tragen. Vielleicht serviert der eine oder andere zukünftige Profi-Gastronom dereinst selbst eine innovative Food-Save-Kreation.
Mit der «Strategie nachhaltige Ernährung» legt die Stadt Zürich den Grundstein für ein nachhaltigeres Ernährungssystem. In der Stadt Zürich sollen Lebensmittel aufgetischt werden, die gesund, sicher und für alle zugänglich sind, ethisch verantwortungsvoll produziert und umweltverträglich angebaut werden. In ihren eigenen rund 450 Verpflegungsbetrieben hat sich die Stadt Zürich bis 2030 vier quantitative, verbindliche Ziele gesetzt:
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