12.01.2021 von Saskia Sanders und Laura Tschümperlin
Nur noch halb so viele Lebensmittelverluste – das ist das erklärte Ziel des Bundes bis 2030. Ein Aktionsplan wird dafür die Leitlinien setzen, bestehende Massnahmen und Aktionen koordinieren und neue lancieren. Ein Monitoring soll sicherstellen, dass sich die Umsetzung auf Zielkurs befindet.
Saskia Sanders:Projektleiterin Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendungsaskia.sanders@bafu.admin.ch
Laura Tschümperlin:Projektleiterin Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendunglaura.tschuemperlin@bafu.admin.ch
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Wenn Lebensmittel hergestellt, aber nicht konsumiert werden, führt dies zu unnötigen CO2-Emissionen, Biodiversitätsverlust sowie Land- und Wasserverbrauch. 25 Prozent der Umweltbelastung der Ernährung der Schweiz sind auf Food Waste zurückzuführen. Gleichzeitig verursachen die Bereitstellung und der Konsum von Nahrungsmitteln 28 Prozent der Umweltbelastungen und sind damit der wichtigste Bereich des schweizerischen Endkonsums.
Die Zahlen sprechen für sich. Der Handlungsbedarf ist offensichtlich und das Potenzial für die Umwelt gross. Food Waste ist in der medialen Berichterstattung präsent und auch in der Bevölkerung ist die Problematik angekommen. Eine repräsentative Umfrage der ETH Zürich zeigt: Gut die Hälfte der Befragten findet, es brauche staatliche Massnahmen, um Food Waste zu reduzieren, ein Drittel stimmt teilweise zu und knapp ein Viertel ist eher dagegen.
Auch auf der politischen Agenda ist Food Waste kein neues Thema. In den letzten Jahren wurden über 20 parlamentarische Vorstösse mit direktem Bezug dazu eingereicht. Mit der UN-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung haben die Bemühungen ein konkretes Ziel erhalten. 2015 hat die Schweiz die Agenda gemeinsam mit mehr als 190 Staaten verabschiedet. Diese fordert, die Nahrungsmittelverluste pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis 2030 zu halbieren und die entstehenden Nahrungsmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferkette zu verringern (Sustainable Development Goal SDG 12.3). Mit einer Halbierung der Lebensmittelverluste, die durch den Schweizer Konsum entlang der Wertschöpfungskette verursacht werden, liessen sich die Gesamtumweltbelastung und die Treibhausgaseffekte der Schweizer Ernährung um 10 bis 15 Prozent reduzieren.
Die Vermeidung von Food Waste hat sich als wichtige Massnahme für Umwelt- und Klimaschutz etabliert. GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley fordert einen koordinierten Prozess, um die Halbierung bis 2030 zu erreichen. Mit der Annahme ihres Postulats im März 2019 hat das Parlament deutlich gemacht, dass es das SDG 12.3 ernst nimmt und in der Schweiz umsetzen will. Der Bundesrat erarbeitet nun einen Aktionsplan gegen die Lebensmittelverschwendung. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) übernimmt die Federführung und arbeitet eng mit dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie mit Vertreterinnen und Vertretern von Städten und Kantonen zusammen. Im Fokus des Aktionsplans stehen drei Anliegen:
Ein so grosses Ziel wie das SDG 12.3 lässt sich nur mit dem Engagement vieler Akteure erreichen. Insbesondere die Sektoren Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel, Gastronomie und Haushalte spielen eine zentrale Rolle. In einem ersten Schritt erarbeitete das Projektteam eine Auslegeordnung von bereits umgesetzten sowie möglichen neuen Lösungsansätzen. Grundlage dafür waren Fachgespräche mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Sektoren entlang der Wertschöpfungskette und von Konsumenten- und Umweltorganisationen. Inspiration boten auch erfolgreiche Ansätze aus dem Ausland. Noch steht der Aktionsplan nicht, aber bereits jetzt ist klar: Initiativen und Innovationen der Wirtschaft und Zivilgesellschaft werden eine wichtige Rolle spielen und es muss weiterhin verstärkt in die Sensibilisierung und Bildung investiert werden.
Das Ziel ist ambitiös und bis 2030 bleibt nicht mehr viel Zeit. Die öffentliche Hand spielt eine wichtige Rolle für die Reduktion der Lebensmittelverluste. Bund, Kantone, Städte und Gemeinden müssen Leitplanken setzen, damit das SDG 12.3 erreicht werden kann.
Die öffentliche Hand selbst kann eine Vorbildrolle einnehmen, indem sie die Lebensmittelverluste in ihren Verpflegungseinrichtungen minimiert. Kantinen der Verwaltung und Küchen in Schulen, Kitas, Heimen und Spitälern sollten die Verluste regelmässig erheben. Dadurch werden die Mengen sichtbar und auch der finanzielle Verlust offensichtlich. Die Daten sind zudem wichtig, um zielgerichtete Massnahmen ergreifen zu können und Fortschritte aufzuzeigen. Die Fachstelle ökologische öffentliche Beschaffung des Bafu wird diesen Herbst entsprechende Kriterien für die nachhaltige Beschaffung in einem Leitfaden veröffentlichen. Der Leitfaden zeigt konkret auf, wie bereits in der Ausschreibung von Verpflegungsdienstleistungen die regelmässige Erhebung von Lebensmittelverlusten und spezifische Massnahmen integriert werden können. Daten, die in öffentlichen Betrieben oder im Auftrag der öffentlichen Hand erhoben werden, sollen auch in das nationale Monitoring einfliessen. Die Sammlung und Auswertung der verschiedenen Daten ist letztlich Aufgabe des Bundes.
Die öffentliche Hand unterstützt schon heute die Umsetzung von Massnahmen in den einzelnen Sektoren, zum Beispiel durch die Förderung innovativer Projekte. Solche Förderungen werden auch in Zukunft wichtig sein. Weiter können Gemeinden über Projekte wie «Land Gast Wirt» die lokale Landwirtschaft mit Abnehmern aus der Gemeinde zusammenbringen, sodass auch Produkte verarbeitet werden, die nicht den Normen entsprechen.
Die öffentliche Hand soll auch Impulse zur Verankerung des Themas Food Waste in der Bildung setzen: Lehrpläne gilt es entsprechend zu gestalten und Lehrpersonal weiterzubilden. Und auch bei der Sensibilisierung der Bevölkerung können Kantone, Städte und Gemeinden eine entscheidende Rolle übernehmen und das Thema in Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit einfliessen lassen. Eine gute Möglichkeit besteht darin, Partner der Kampagne «SAVE FOOD, FIGHT WASTE.» zu werden und als Multiplikator die wichtigen Botschaften der Dachkampagne an die richtigen Zielgruppen zu bringen.
Ein wichtiger Bestandteil des Aktionsplans wird die Datenerhebung und ein regelmässiges Monitoring sein. Nur so lassen sich Fortschritte bezüglich der politischen Zielsetzung, Food Waste um die Hälfte zu reduzieren, aufzeigen. Datenerhebungen in Betrieben sind eine wichtige Grundlage für das Monitoring. Messungen von Lebensmittelverlusten sind aber auch aus anderen Gründen sinnvoll, denn sie können Mitarbeitende und Führungspersonen sensibilisieren und motivieren, eigene Reduktionsziele zu setzen. Das übergeordnete, nationale Monitoring hilft, den Ist-Zustand zu verstehen, Bereiche mit grossem Reduktionspotenzial zu identifizieren, Fortschritte aufzuzeigen und die Wirkung von Massnahmen zu evaluieren. Die Fortschrittsmessung auf Betriebs-, Sektor- und nationaler Ebene muss mittels aussagekräftiger Indikatoren erfolgen. Diese sollen sowohl die Mengen wie auch die damit verbundene Umweltbelastung berücksichtigen. Ein branchenübergreifendes Monitoring muss insbesondere der Heterogenität der Akteure gerecht werden. Die Basis bilden rund 50 000 Landwirtschaftsbetriebe, Handel und Verarbeitung, KMU und Grossunternehmen, 30 000 Gastrobetriebe und 8,5 Millionen Einwohner am Ende der Lebensmittelkette. Unter Einbezug von Vertreterinnen und Vertretern sämtlicher Sektoren erarbeitet das Bafu gemeinsam mit der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) ein geeignetes Monitoringkonzept. Dieses soll anschliessend diskutiert und konkretisiert werden. Die Verabschiedung des Aktionsplans ist für die erste Hälfte 2021 geplant und soll der gesamten Schweiz einen Schub hin zu einem nachhaltigeren Ernährungssystem verleihen.
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